Rezensionen
... zu Upton Sinclair. Bibliografie seiner Werke im deutscher Sprache
Upton Sinclair
war in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts der in Deutschland meistverkaufte und meistgelesene amerikanische Autor. Sein Debüt als Schriftsteller gab er im Jahre 1906 mit einem Roman, der zuvor in Fortsetzungen in einer Zeitschrift erschienen war: »The Jungle« - in Deutschland noch im selben Jahr unter dem Titel »Der Sumpf« herausgegeben. Sinclair deckte darin schonungslos die skandalösen sozialen und hygienischen Zustände in Chicagos Fleischindustrie auf Nichts in dem Roman ist Fiktion. Die Tatsachen waren bis ins kleinste Detail überprüfbar. Die Unternehmen kochten vor Wut, denn Sinclair brachte sie um ihre Profite, und so manche Konservenfabrik war bald bankrott. Die Verbraucher rebellierten, als sie erfuhren, wie ihr geliebtes Cornedbeef, hergestellt wurde: Die Wirkung des Buches war so nachhaltig, daß sich Präsident Roosevelt einschaltete und Upton Sinclair eine Audienz gewährte. Der Kongreß verabschiedete schließlich ein vom Präsidenten initiiertes Bundesgesetz zur Hygiene in den Fleischfabriken. »The Jungle« wurde noch im selben Jahr in siebzehn Sprachen übersetzt - und Upton Sinclair weltberühmt. Spätere Arbeiten - 60 von insgesamt 90 wurden ins Deutsche übersetzt - fanden ebenfalls begeisterte Leser: »König Kohle«, der bedeutendste Roman nach dem Erstling; »Der Sündenlohn«, eine vernichtende Studie über den Journalismus; »Jimmie Higgins«, einer der großen Romane über den Ersten Weltkrieg; der Sacco-Vanzetti-Roman »Boston« ...
Jetzt ist ein Buch erschienen, das den Autodidakten, der sich das Lesen und das Schieiben selbst beigebracht hatte, sowie dessen umfangreiches Werk auf eine besondere Art in Erinnerung ruft. Der Leipziger Joumalistikwissenschaftler Edmund Schulz hat eine immense Arbeit geleistet, um das gesamte in deutscher Sprache vorliegende Werk Sinclairs zu erschießen. Da werden nicht nur die deutschsprachigen Buchausgaben penibel aufgelistet und mit diversen Informationen zur verlegerischen Arbeit versehen, sondern. Schulz liefert auch eine umfassende Aufzählung der Sinclair Texte in der Presse, in Anthologien, Sammelbänden, Briefbänden, nennt sämtliche Verlage, die Sinclair ediert haben, die Übersetzerinnen und Übersetzer, die deutschsprachige Literatur über Sinclair einschließlich ungedruckter Hochschulschriften. Eine Kurzbiographie sowie ein Abriß der Editionsgeschichte in Deutschland werden ergänzt durch Reproduktionen von Dokumenten und Erstausgaben sowie zwei publizistische Leckerbissen: Upton Sinclairs Offener Brief »Ist der Sumpf wahr?« nebst der Botschaft des Präsidenten Roosevelt an den Senat und das Repräsentantenhaus und eine Abhandlung von Wieland Herzfelde (Malik-Verlag) zum 50. Geburtstag von Upton Sinclair. Alles in allem ein Glanzstück. Neben dem wissenschaftlichen Wert eine Inspiration zum Griff in den Bücherschrank: Upton Sinclair ist noch immer spannend. Klaus Haupt
Edmund Schulz: »Upton Sinclair. Bibliografie seiner Werke in deutscher Sprache«, Schöneworth Verlag, 141Seiten, 15 Euro
Sinclairs Amerika
LN-Mitbegründer Edmund Schulz hat sich einen Lebenstraum erfüllt: In jahrelanger unermüdlicher Forscherarbeit erstellte er eine in der Fachwelt bereits sehr beachtete Upton Sinclair Bibliographie. Aber sie ist nicht nur an die bibliophilen Freunde vor allem des Malik-Verlags gerichtet. Schulz' Arbeit ist ein Teil deutscher Literaturgeschichte und voll spannender, ja aufregender Details über jenen amerikanischen Schriftsteller, dessen erster Roman Der Sumpf (1906) für den US-amerikanischen Kongress Anlass für ein Bundesgesetz zur Hygiene in der Fleischverarbeitung war.
Nie werde ich vergessen, wie ich vor vier Jahrezehnten bei meinem Dozenten Dr. Schulz den ersten Pluspunkt sammelte, weil ich zu unterscheiden wusste zwischen Upton Sinclair und Sinclair Lewis. Oder wie „Eddi", von meiner seit 1960 kompletten Weltbühnensammlung wissend, auf meinem Dachboden verschwand und dann total eingestaubt aber freudestrahlend wieder nach unten kam, zwei Hefte in der Hand, mit Artikeln, in denen Sinclair-Vermerke waren, die ihm noch fehlten. Er verträgt es einfach nicht, wenn ihm etwas zu Sinclair bekannt wird, das er nicht besitzt.
In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war Sinclair der meist gekaufte amerikanische Autor in Deutschland. Seine Bücher, vor allem Petroleum, 100 Prozent, Jimmie Higgins, König Kohle und So macht man Dollars sind nicht zu trennen von drei Namen: der Übersetzerin Hermynia Zur Mühlen, dem Verleger des legendären Malik Verlag Wieland Herzfelde und dem Gestalter der Schutzumschläge, John Heartfield. Er war es, der mit seinem ansprechenden, bestimmenden Layout auch Upton Sinclair den Zugang in die bürgerliche Leserschaft verhalf Der Malik Verlag brachte, bis er 1938 seine Arbeit – dann schon in Prag – endgültig einstellen musste, 30 Sinclair Titel in einer Gesamtauflagevon über 706 000 deutschsprachigen Exemplaren heraus. Heute ist Upton Sinclair nur noch im Antiquariat vorhanden. • X Edmund Schulz: Upton Sinclair – Bibliografie seiner Werke in deutscher Sprache. Hannover 2007, 142 Seiten.
Rezensionen
... zu Upton Sinclair in der deutschsprachigen Presse
Upton Sinclair in Deutschland
Das erste deutsche Blatt, das einen Text von Upton Sinclair veröffentlichte war 1906 dieTierärztliche Rundschau, nämlich den Text »Wie Büchsenfleisch gemacht wird«. Das erfährt man aus Edmund Schulz` Bibliographie über die Sinclair-Rezeption in der deutschen Presse. Das Autorenverzeichnis umfaßt viele große Namen: Alfred Kerr, Max Herrmann-Neisse, Wieland Herzfelde, Egon Erwin Kisch, Axel Eggebrecht, Kurt Tucholsky, Karl Kautsky, Klaus Mann ... Die Zeitschrift, die am meisten dazu beitrug, den sozialkritischen Autor in Deutschland bekanntzumachen, war Die Weltbühne.
In den Jahren der Weimarer Republik war er in Deutschland der meistgelesene amerikanische Autor. Die Auflagen seiner Bücher im Malik-Verlag erreichten Rekordzahlen: »Jimmie Higgins 40.000, »Hundert Prozent« 50.000, »Der Sumpf« 80.000, »Boston« 90.000, »Petroleum« 125.000, um nur einige zu nennen.
Vorangegangen war der Chicagoer Schlachthofroman »The Jungle«, der in den USA Furore machte' und weltweit Aufsehen erregte. Es dauerte nur fünf Monate bis im hannoverschen Sponholtz-Verlag die erste deutsche Übersetzung vorlag. Auch hierzulande wurde das Buch zu einem »Bestseiler«, leider ebenfalls mit jener Wirkung, die der Autor eigentlich nicht beabsichtigt hatte: »Auf die Herzen der Menschen hatte ich es abgesehen, ihre Mägen habe ich getroffen.« Tatsächlich ist der Roman weit mehr als eine naturalistische Schilderung der unhygienischen Produktionsbedingungen in den damaligen Chicagoer Fleischfabriken, er ist ein Protest wider die gnadenlose Ausbeutung der aus dem europäischen Osten eingewanderten Frauen und Männer durch die Bosse von Armour and Co.
In den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg erschien in Westdeutschland nichts. Nachdem sich Sinclair kritisch zur Sowjetunion geäußert hatte, trat sogleich Schweigen in der DDR ein, nun durfte er gelegentlich in Westdeutschland erwähnt werden.
Wer heute in eine Buchhandlung geht und nach Upton Sinclair fragt, verläßt sie ohne Erfolg. Kein deutscher Verlag hat gegenwärtig ein Werk des wohl produktivsten nordamerikanischen Schriftstellers des 20. Jahrhundert im Programm. Nicht einmal der wahrlich aktuelle »Dschungel« findet sich in den Regalen. '
Die Amerikanisten der Dortmunder Universität erinnerten in einem Symposium und mit einer von den Studierenden inszenierten szenischen Lesung an das Erscheinen dieses Buches vor 100 Jahren. Bestritten wurde das Symposium von drei Gästen aus den USA - Anthony Arthur aus Los Angeles, Kevin Mattson aus Ohio und Giedrius Subacius aus Chicago -, die in diesem Jahr mit neuen Büchern Werk und Leben Sinclairs ins gesellschaftliche Bewusstsein zurückholten, sowie von Edmund Schulz aus Leipzig. F.G./ E.S.
Edmund Schulz: »Upton Sinclair in der deutschsprachigen Presse«, Selbstverlag, 79 S.
Auf Sinclairs Spuren
Als im Sommer 1906 im Hannoverschen Sponholtz-Verlag die deutsche Ausgabe des in Chicago spielenden Schlachthausromans Der Sumpf (The Jungle) erschien, kannte kaum jemand in Deutschland den 27jährigen Verfasser. Zwei Jahrzehnte später war der Journalist und Schriftsteller Upton Sinclair (1878-1968) der meistgelesene amerikanische Autor der Weimarer Republik. Seine Bücher erreichten Rekordauflagen. Sie gehörten 1933 zu den ersten, die die Nazis in die Flammen warfen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es der Berliner Dietz-Verlag, der zuerst Werke Sinclairs herausbrachte. Doch nachdem sich der Antikapitalist kritisch zur Sowjetunion geäußert hatte, war er für fünfundzwanzig Jahre in der DDR tabu. Auch westdeutsche Verlage edierten nur wenige seiner Romane, und dies in kleinen Auflagen. So ist Sinclair hierzulande – ganz im Gegensatz zu den USA – heute nahezu vergessen.
Dennoch, ein derart umfangreiches, weit verbreitetes Werk eines Schriftstellers hinterlässt Spuren. Der Leipziger Journalist und Medienwissenschaftler Edmund Schulz ist ihnen nachgegangen und hat in der deutschsprachigen Presse von 1906 bis heute 680 Beiträge von und zu Upton Sinclair gefunden. „Deutschsprachig" besagt, dass auch Periodika Österreichs, der Schweiz und der Tschechoslowakei sowie der Exilpresse 1933-1948 herangezogen wurden.
Als die Amerikanisten der Universität Dortmund im vergangenen Jahr mit einem Symposium an das Erscheinen des Dschungel vor hundert Jahren erinnerten, hatten sie vier auswärtige Kenner geladen: Anthony Arthur (Los Angeles), Kevin Mattson (Ohio), Giedrius Subacius (Chicago) und LN-Mitbegründer Edmund Schulz als einzigen deutschen Referenten
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Rezension von Ann Tizia Leitlich zu Upton Sinclairs "Petroleum" (Ausschnitt) in der Neuen Freien Presse, Wien, 1928, 3. Juni 1928, S. 27 (Literaturblatt). |